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KW 31/1996, Satire Magazin, Zyn


ZYN! Das Online Satire Magazin im Internet Gnadenlose Satire, abseitiger Humor,
verheerende Witzeleien... Satire vom übelsten aus Köln.



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EIN HERZ FÜR SPIESSER!


oder: Ist das noch lustig!?

Ja verdammt, das ist lustig. Sogar sehr. So, nachdem das geklärt wäre widmen wir uns einem aktutem Problem der scheinbar unverbesserlich neuen Medien. Für viele Mitmenschen (bzw. solche die sich dafür halten) bietet das besetzte InterNET unter der weisen Führung des ZYN!-Magazins mannigfaltige Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, und des Austauschs. Es hat den Anschein als würde in diesem wundersamen Netzwerk wirklich jeder seinen Unterschlupf finden, und die Menschheit hätte endlich einen Sandkasten gefunden in dem jeder seine Burg bauen darf.

Aber das täuscht. Von weiten Teilen der Welt unbeachtet, wird eine ganze Volksgruppe mit langer Tradition zunehmend bedroht, und steht langfristig womöglich vor der gänzlichen Ausrottung. Die Rede ist vom international gefürchteten mitteleuropäischen Spießer. Auf den ersten Blick scheint alles noch seine Richtigkeit zu haben, da diese Gattung eben erst das World Wide Web entdeckt hat - und nun natürlicherweise damit ebenso zu verfahren gedenkt wie mit so vielen Dingen in der Vergangenheit. Hier könnte die Natur nun ihren geregelten Gang gehen, und die wuchernden Auswüchse unbeschränkter Freiheiten würden solange beschnitten bis es dem Spießer auch auch hier endlich so richtig gefällt.

Aber - es wird dieser Gattung plötzlich verblüffend schwer gemacht, da das InterNet ärgerlicherweise gegen wesentlich gröbere Eingriffe als ihn (wie z.B. nukleare Erstschläge) gewappnet ist, und somit die meisten seiner erprobten Methoden der Einflußnahme (Zensur, Verbote, Verbotsschilder, Lynchjustiz, Pogrome etc.) irgendwie nicht recht greifen wollen.

Aber wie wir aus der Spießerbeobachtung in freier Wildbahn wissen, kann diese Gattung äußerst ungehalten werden wenn sie ihrem Drang nach Ordnung und Regeln nicht frei nachkommen kann. Ihre freie Entfaltung in den wenigen Spießer-Biotopen wird durch das Verbot von Angriffskriegen, von Ausländerhatz und durch aggressive Umwelteinflüsse wie freie Meinung, Pressefreiheit, Gleichberechtigung oder Völkerverständigung ohnehin schon zunehmend bedroht. Das geht sogar soweit, daß der Absatz an Gartenzwergen und Stacheldrahtzäunen nach der Wende immer mehr nachläßt - ein Alarmzeichen für den Artenschützer!

Internationale Spießerverbände befürchten bereits eine Bedrohung der Artenvielfalt durch eskalierenden Liberalismus, und erkennen hier deutlichen Handlungsbedarf. Das InterNet würde dieser bedrohten Gattung in der Tat weite Möglichkeiten bieten, wenn das internationale Verständniss für unsere rechtslastigen Freunde nicht so erschütternd gering wäre.

Daher fordert ZYN! im Rahmen der aktuellen Zensurdiskussion zu mehr Verständniss für den europäischen Spießer auf, und ruft die Aktion "Weg mit den Freiheiten - dem Spießer zuliebe!" ins Leben. Geben wir ihnen fröhlich und ohne Hintergedanken die Kontrolle über die Server und die Usenet-Groups in die Hand, und sorgen wir endlich für eine Spießergerechte Gesetzgebung! Behalten wir den alten Spruch der APO in Erinnerung, in dem es heißt: "Erst wenn der letzte Spießer bekehrt worden ist, werdet ihr merken daß man Freiheit nicht mit Steinen bewerfen kann!"

Denkt mal darüber nach, eure
[ZYN!-Redaktion]
eMail: mklein@koelner.de